25. Februar 2019

Was ist eigentlich Ilinx?

Was ist eigentlich Ilinx?

Ilinx. Das ist der selbsternannte Titel unseres Projekts. Aber was genau bedeutet eigentlich ilinx?

1. Spielarten nach Caillois

Der Begriff wurde insbesondere vom französischen Soziologen Roger Caillois geprägt. Dieser unterscheidet in seiner für die frühe Ludologie des 20. Jahrhunderts einschlägigen Monographie „Die Spiele und die Menschen“ grundsätzlich vier verschiedene Arten des Spiels. Diese verschiedenen Arten des Spiels sind unterschieden,

„je nachdem, ob innerhalb des jeweiligen Spiels das Moment des Wettstreits, des Zufalls, der Maskierung oder des Rausches vorherrscht. Ich bezeichne sie als Agon, Alea, Mimicry und Ilinx. Alle vier gehören sie durchaus in den Bereich der Spiele: man spielt Fußball, Billard oder Schach (agon), man spielt Roulett oder Lotterien (alea), man spielt Seeräuber, man spielt Nero oder Hamlet (mimicry) und man spielt, um durch eine rapide Rotations- oder Fallbewegung in sich selbst einen organischen Zustand der Verwirrung und des Außersichseins hervorzurufen (ilinx).“ Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. S. 19.

Caillois Unterscheidung erscheint in ihrer strukturalistischen Einfachheit klar und nachvollziehbar, handelt es sich bei den von ihm angeführten Beispielen um Spiele mit deutlich unterschiedlichem Charakter. Diese Differenzen zwischen Wettkampf, Glücksspiel, Mimesis und Rausch befinden sich allerdings auf einer bestimmten Ebene des Spiels, nämlich jener der Teleologie oder Zielsetzung. So lässt sich sagen, dass es im Fußball oder Schach eben genau darauf ankommt, den Gegner, sei es durch Physis und/oder Strategie, zu besiegen. Lottospieler mögen ihre eigenen Strategien ausbilden, das Eintreffen des statistisch Unwahrscheinlichen bei grundsätzlich gleichen Siegeschancen markiert den Gewinner des Spiels in diesem Fall grundsätzlich. Im Fall des Schauspielers wäre dies die bestmögliche Nachahmung der zu verkörpernden Rolle, im Fall des schaukelnden Kindes und des fallschirmspringenden Extremsportlers das Erreichen des erwünschten Rauschzustandes etc. Regeln und Siegbedingungen bedürfen der institutionellen Organisation. Der Spielverderber ist folglich der Spieler, dessen Regelwerk und somit Siegbedingung sich nicht im Einklang mit denen der anderen Spieler und der überwachenden Autoritätsinstanz befindet. Die strukturalistische Klarheit der von Caillois getroffenen Unterscheidungen beginnt jedoch schon hier zu bröckeln. So kann ein Theaterstück schnell zum Kräftemessen von Schauspielern verkommen Dass sich das Einschieben von Regeln und Motivationen andersartiger Spielarten ausschließlich negativ auswirken kann, ist allerdings zu bezweifeln., wie eine American Dad Episode aus dem Jahr 2011 eindrücklich vor Augen führt. Diese wechselseitigen Vermischungsoperationen können für jede Spielart nach Caillois Unterteilung angenommen werden.

Doch hier hört das Dilemma noch nicht auf. Caillois selbst rüttelt an der Stabilität seiner vier Spieltypen indem er schreibt: „Dennoch umfassen diese Bezeichnungen noch nicht den ganzen Umkreis des Spiels. Sie teilen es in Quadranten, deren jeder von einem ursprünglichen Prinzip regiert wird. Sie begrenzen Sektoren, in denen sich Spiele der gleichen Art zusammenfinden.“ Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. S. 19. Diese zugegebenermaßen etwas kryptische Übersetzung legt den Schluss nahe, es gäbe vier abgetrennte Sektoren, innerhalb derer sich unterschiedliche Spiele positionieren. Besonders in Hinblick auf digitale Spiele wird jedoch schnell klar, dass ein einzelner Titel zahlreiche Elemente unterschiedlichster Spielarten aufweisen kann. Der statistisch zufallsgenerierte Inhalt einer Lootbox in einem Teil der Diablo-Reihe weist bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit einem Lotteriesystem auf, ganz gleich ob dafür echtes Geld verlangt wird oder nicht. Auf der anderen Seite kann ein kooperatives Spiel mit einem Freund den Wettkampfcharakter des Spiels stärken und nicht nur zum endgültigen Sieg über die Maschine oder das Spiel motivieren, sondern auch eine Kräftemessen zwischen mehreren Spielern provozieren. Schließlich ist das Spiel metaphorisch überformt und zeigt eine Vielzahl unterschiedlicher Charaktere in einer fremden Welt, in der Spieler mithilfe von Avataren integriert werden. Anders wäre ein Konzept wie das der ludonarrativen Dissonanz von Videospielen nicht denkbar. Vgl. Hocking, Clint: Ludonarrative Dissonance in Bioshock.

Ein Storydialog in Diablo III, …

sowie das Auffinden …

und Öffnen einer Truhe.

Folglich muss jedes Spiel, oder zumindest die überwiegende Mehrheit aller Spiele, insbesondere im Kontext von Videospielen, als ein Hybridwesen aus den von Caillois vorgeschlagenen Differenzkriterien für Spielarten begriffen werden.

2. Rausch und (Video-)Spiel

Das sind viele Fragen und Probleme, die mit Sicherheit weitere aufwerfen, aber worum es sich bei ilinx handelt, wissen wir immer noch nicht so genau. Aus diesem Grund will ich mich im Folgenden auf den Rauschcharakter des Spiels beschränken. Das Wort ilinx ist unschwer erkennbar dem Altgriechischen entnommen:

„Um die verschiedenen Abarten einer solchen Umwandlung zu bezeichnen, die gleichzeitig organische wie physische Verwirrung bedeutet, schlage ich den Terminus ilinx vor, ein Wort, das im Griechischen Wasserstrudel bedeutet, und von dem sich der Ausdruck vertige (ilingos) etymologisch ableiten läßt.“ Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. S. 34.

Der Wasserstrudel bildet also die Metapher der Wahl, wenn es um ilinx oder vertigo geht, wie genau es allerdings um die genannte Verwirrung steht, erklärt Caillois an anderer Stelle. Ilinx fasse

„jene Spiele zusammen, die auf dem Begehren nach Rausch beruhen und deren Reiz darin besteht, für einen Augenblick die Stabilität der Wahrnehmung zu stören und dem klaren Bewußtsein eine Art wollüstiger Panik einzuflößen. Es geht hier stets darum, sich in einen tranceartigen Betäubungszustand zu versetzen, der mit kühner Überlegenheit die Wirklichkeit verleugnet.“ Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. S. 32.

Halten wir fest: Das Wortfeld mit welchem Caillois ilinx umgibt besteht aus folgenden Begriffen: Verwirrung, Ekstase (Außersichsein), Rausch, Instabilität (der Wahrnehmung), (positiv besetzte) Panik, Trance und Eskapismus (Wirklichkeitsleugnung). In Verbindung mit dem wortverwandten vertigo kommt noch der Schwindel dazu, welcher auf basaler Ebene als Dissonanz zwischen (körperlich) wahrgenommener und empfundener Bewegung begriffen werden kann, nicht zuletzt also auch, wenngleich nicht ausschließlich, das Wirken ungewöhnlicher physikalischer Kräfte auf einen Organismus beinhaltet.

Dem Mahlstrom verwandte Spiegelfluchtästhetik in Portal. Das Gefühl von Geschwindigkeit und Schwindel wird hier mithilfe von Bewegungsunschärfe visuell repräsentiert.

Caillois räumt dem Menschen keine Ausnahmestellung in Bezug auf jene Rauschspiele ein, sondern beschreibt zahlreiche Tierarten, die sich an Drehbewegungen zu erfreuen scheinen und integriert sogar die regelmäßigen Sturzflüge der Vögel in das Schema des rauschhaften Spiels. Vgl. Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. S. 34-35.

Der in das Bild ragende Schnabel ist laut den Entwicklern von Ubisoft im Virtual Reality Titel Eagle Flight aus Gründen der Übelkeitsvermeidung implementiert worden.

In Bezug auf den Menschen nennt er das Karussell, die Schaukel, die Auswirkungen des Alkoholkonsums, als auch die unterschiedlichen Attraktionen moderner Jahrmärkte als Beispiele für das menschliche Rauschspiel. Vgl. Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. S. 35. Eine besondere Qualitätsveränderung des rauschhaften Spiels schreibt er jenen Fortbewegungsapparaten zu, die aus der Industrialisierung hervorgegangen sind, wie das Motorrad. Vgl. Ebd. Die eigentlich interessante Frage ist nun, wieso sich diese Art des Schwindels, die so deutlich mit der Bewegung durch einen physikalisch erfahrbaren Raum verbunden zu sein scheint, auf ein Medium wie das Videospiel übertragen lässt. Mit Blick auf die wechselhafte Qualität des Schwindels, der im einen Moment noch angenehm, im nächsten unangenehm sein kann, lässt sich die Anwendbarkeit von ilinx auf das Medium Videospiel darlegen: Das erwähnte Unwohlsein ist seeuntüchtigen Schiffsreisenden, sowie an Reisekrankheit leidenden Personen schon seit Jahrhunderten bekannt. Viele Videospieler allgemein und VR-Enthusiasten im Besonderen kennen den Schwindel als Motion Sickness. Caillois begründet diesen Zustand nicht allein mit der Manipulation des Gleichgewichtsorgans, sondern mit der Einwirkung auf den gesamten Körper. Vgl. Ebd. Zwar besitzen Videospiele wie das beispielhaft gewählte Portal Kim Swift, Erik Wolpaw. Valve Corporation 2007. und Achterbahnen zweifelsohne eine grundsätzlich unterschiedliche Qualität, beide können jedoch zum rauschhaften Spiel gezählt werden und überdies Übelkeit hervorrufen. Caillois beschränkt sich in seinen Ausführungen nachvollziehbarerweise auf ein organisch-körperliches Modell der Rauscherfahrung, ist das Videospiel bei Erscheinen seiner Monographie 1958 doch noch lange kein kulturell relevantes Massenmedium. Einer strikten Trennung von körperlicher und geistiger Bewegung entzieht sich ilinx nichtsdestotrotz, da audiovisuelle Reize mit der möglichen Ergänzung taktiler Eingabeberührungen auszureichen scheinen, um den Zustand des spielhaften Rausches auszulösen.

Josh Call nennt das Videospiel Mirror’s Edge (hier die Fortsetzung von 2016) als Beispiel für Kopräsenz von Avatar- und Spielerkörper, indem er die Reaktion seiner Ehefrau auf einen Absturz der Spielfigur als viszerale Erfahrung beschreibt (Vgl. Joshua Call: Bigger, Better, Stronger, Faster. Disposable Bodies and Cyborg Construction. S. 155).

3. Von der Ektase zur Immersion

Im Großen und Ganzen scheint es sich bei Spielen des Typs ilinx immer um Mittel zur raumzeitlichen Desorientierung zu handeln. Dies legt unter anderem die Tatsache nahe, dass digitale Spiele in jedem Fall über eine Metapher verfügen, welche die Spielmechaniken in einem narrativen Kontext legitimiert. Dabei kann es sich um ganz abstrakte Welten wie in Tetris Alexey Pajitnov, Vladimir Pokhilko, 1984., welches jüngst als rauschhafte Virtual Reality Erfahrung für Sonys aktuelle Playstation erschienen ist, um isolierte Testumgebungen wie in Portal, oder aber das posthumane Paris aus der Sicht eines Vogels wie in Ubisofts Eagle Flight Charles Huteau, Olivier Palmieri, Ubisoft Montreal, Ubisoft 2016. handeln. Diese Videospielwelten können vom spielenden Körper nicht im herkömmlichen Sinne bewohnt werden, noch kann der Spieler im Sinne einer geophysikalischen Realität diese Orte bereisen. Der französische Geschwindigkeitstheoretiker Paul Virilio schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Roger Caillois, welcher bereits den rauschhaften Charakter moderner Fortbewegungsmittel konstatierte, indem er das moderne Fahrzeug als Mittel einer raumzeitlichen Auflösungserscheinung versteht. Vom Motorrad zu Computerbildschirm und VR-Brille ist nur mehr ein kleiner Schritt, wenn Virilio annimmt, die Welt um den Reisenden bestünde nur noch aus kinetischen Bildern wie jenen, welche wie im Kino erleben. Vgl. Paul Virilio: Fahrzeug. S. 133. Diesen raumzeitlichen Auflösungserscheinungen folgt Virilio zufolge der Zustand der Telepräsenz, welchen mithilfe der Metapher des Reisenden ohne Reise, des Passagiers ohne Passage beschreibt. Vgl. Paul Virilio: Rasender Stillstand. S. 151.

Zufälliges Foto von Las Vegas aus dem Jahr 2017: Die Unschärfe- und Rauscheffekte weisen bemerkenswerte Ähnlichkeiten zur Ikonographie des Absturzes in Mirror’s Edge Catalyst auf. Die Stadt selbst stellt ein verwirrendes Wechselspiel aus Lichtern, psychoaktiven Substanzen und Glücksspiel (Alea) dar. Sie erscheint zudem durch die Nachbildung internationaler (Wahr-)Zeichen als raumzeitlich ambivalent.

Dieser schwer zu greifende Zustand scheint der Situation des Videospielens ähnlich. Zumindest ließe sich an Virilios Frage nach dem Ort des Reisenden Vgl. Paul Virilio: Fahrzeug. S. 166. fragen: Wo sind wir, wenn wir spielen? In diesem Kontext wird deutlich, dass jene von Caillois beschriebene Verwirrung die Grundsatzbedingung der raumzeitlichen Desorientierung bildet, welche schließlich das Außersichsein ermöglicht. Diese Ekstase ist zugleich Pendant und notwendige Bedingung dessen, was wir – oft unkritisch – gewohnt sind, Immersion zu nennen. Dass Bildschirmwelt und wirklichkeitsverleugnende Trance dabei Hand in Hand gehen, verdeutlicht ein Zitat des Cyberpunkpioniers William Gibson aus dem Jahr 1986:

„[In arcades] I could see in the physical intensity of their postures how rapt these kidswere. It was like one of those closed systems out of a Pynchon novel: you had this feedback loop, with photons coming off the screen into the kids’ eyes, the neurons moving through their bodies, electrons moving through the computer. And these kids clearly believed in the space these games projected. Everyone who works with computers seems to develop an intuitive faith that there’s some kind of actual space behind the screen.“ Colin Greenland: A Nod to the Apocalypse. An Interview with William Gibson.

Die Idee der verbundenen Praktiken von Ekstase und Immersion lässt auch Kritik zu. So ist das bisher beschriebene Verfahren in eine Geschichte der christlichen Kulturen integrierbar, welche nicht allein an vielen Stellen die Unterscheidung von Körper und Geist postuliert, sondern darüber hinaus die Trennung und Reintegration dieser beiden Extrempole wiederholt thematisiert hat. So scheint eine unterkomplexe Theorie von Ekstase und Immersion deutliche Ähnlichkeiten mit Erlösungsnarrativen aufzuweisen, welche auch das Element der Transfiguration öfter beinhalten. So wie sich die Passage des Gläubigen im neuen Körper in das versprochene Paradies vollzieht, so sollen Spieler in den Körper eines Avatars schlüpfen, um in digitale Paradiese eintreten und diese bewohnen zu können. Videospielwelten wurden in der Vergangenheit explizit als digitale Paradiese bezeichnet. Vgl. u. A.: Andreas Rosenfelder: Digitale Paradiese. Von der schrecklichen Schönheit der Computerspiele. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2008. Ein denkbares Gegenkonzept ist das der psychosozialen Schizophrenie. Die Grenzen des menschlichen Körpers sind folglich nicht nur weitaus fluider als oftmals angenommen, sondern es besteht überdies hinaus die Möglichkeit, unterschiedliche Räume simultan zu besetzen. Was anfangs abenteuerlich anmuten mag, verliert seinen Kuriositätscharakter bei der Betrachtung von Videospielern: So sind geübte Anwender von VR-Brillen durchaus dazu in der Lage, wahrgenommene Hindernisse während ihrer Erfahrung zu berücksichtigen und etwa nicht über die zum derzeitigen Zeitpunkt notwendige Hardwareperipherie wie Kabel und Ähnliches zu stolpern und die Gegebenheiten des Raumes, in welchem sie sich befinden, zu berücksichtigen, während sie spielen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Diese Mehrräumlichkeit kann als modulare Containerlogik verstanden werden, oder aber spiegelfluchtartig im Sinne einer russischen Matrjoschka. Nicht zuletzt gibt es viele Videospiele, die genau mit diesem Element spielen, wie zuletzt der VR-Titel A Fisherman’s Tale Innerspace VR, Vertigo Games 2019.. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage kann also lauten: Wir sind an mehreren Orten zugleich, wenn wir spielen.

Zum Abschluss möchte ich noch eine drängende Frage ansprechen, die unter der Oberfläche dieses Artikels brodelt. Dabei handelt es sich um die Frage nach Kontrolle, Autonomie und Intentionalität. Man könnte glatt meinen, der Videospieler an sich sei ein armes Würstchen, berauscht vom Schwindel und immer an der gefährlichen Grenze zur Übelkeit, zerrissen zwischen Spielwelt und Realität. Das Wesen von ilinx impliziert jedoch, dass es sich bei diesem Zustand um ein intentionales Ideal handelt, welches sich der Spielende hart erkämpfen muss. Daraus folgt die Fähigkeit, diesen Zustand zu rahmen und zu reflektieren. So ist es Videospielern durchaus möglich, über die Spielwelt zu reden, als befänden sie sich körperlich vollständig darin, ohne das Wesen des Videospiels auszublenden oder zu vergessen. Die Bewertung des technischen Niveaus eines Titels oder der Vergleich mit einem anderen wäre andernfalls nicht möglich, da es eines abgesteckten Rahmens bedarf, um über die Grenzen des Spiels hinauszusehen.

Zu guter Letzt ist ilinx natürlich kein Phänomen der modernen oder postmodernen Welt, sondern lässt sich mindestens bis zurück in die griechische Antike verfolgen, wie es der von Caillois vorgeschlagene Begriff schon nahelegt. Dass ein Bedürfnis nach Rausch bis in die frühsten Menschheitskulturen hineingelesen werden kann, belegt das historische Gegensatzpaar Apollinisch-dionysisch, welches insbesondere durch den Altphilologen Friedrich Nietzsche popularisiert, wenngleich nicht begründet, wurde. Vgl. Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Stuttgart: Reclam 2007 Die beiden antiken Götter dienen hierbei als Metaphern für gegensätzliche menschliche Charakterzüge wie Ordnung, Licht, Beherrschung und Vernunft auf der einen, sowie Chaos, Dunkelheit, Exzess und Rausch auf der anderen Seite. Obwohl dieses Schubladendenken nicht vollends aufgehen kann und uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem klar ist, dass die Verstrickungen scheinbar gegensätzlicher Eigenschaften komplizierter und unklarer sind, so können wir doch nachvollziehen, dass ilinx in dieser Denktradition der Seite des Dionysischen gehört und somit keine Störung, sondern die Erfüllung eines kulturellen und menschlichen Bedürfnisses darstellt.

Literatur

Caillois, Roger: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Stuttgart: Schwab 1960.

Call, Joshua: Bigger, Better, Stronger, Faster. Disposable Bodies and Cyborg Construction. In: Voorhees, Gerald; Call, Joshua; Whitlock, Katie (Hrsg.): Guns, Grenades, and Grunts. First-Person Shooter Games. New York: Continuum 2012. S. 133-152.

Greenland, Colin: A Nod to the Apocalypse. An Interview with William Gibson. In: Foundation. Ausgabe 36. Sommer 1986. S. 5-9.

Hocking, Clint: Ludonarrative Dissonance in Bioshock. The problem of what the game is about. In: Click Nothing. Design from a long time ago. 07.10.2007. Online unter: http://clicknothing.typepad.com/click_nothing/2007/10/ludonarrative-d.html (05.02.2019/15:50 Uhr).

Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Stuttgart: Reclam 2007

Virilio, Paul: Fahrzeug. In: Engell, Lorenz et al. (Hg.): Kursbuch Medienkultur. Die Maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: DVA 1999.

Virilio, Paul: Rasender Stillstand. Frankfurt a.M.: Fischer 1997.

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