12. Januar 2019

Flashback: Pitfall!

Flashback: Pitfall!

Den meisten Menschen dürfte das Spiel Pitfall! eher aus der Popkultur ein Begriff sein, als dass sie es selbst gespielt haben. David Cranes Autorenwerk erscheint 1982 unter dem Label der von ihm mitbegründeten Firma Atari für deren hauseigene Spielekonsole Atari VCS 2600. Der Titel kann als frühes populäres Beispiel für die narrative Integration pseudoarchäologischer Motive in Videospielkontexten dienen und stellt gleichzeitig das zweite bekannte Jump ’n’ Run dar, nachdem Nintendo im Jahr zuvor mit dem Arcadeautomaten Donkey Kong zwei ihrer bis heute bekanntesten Charaktere in die Öffentlichkeit entließ. Der große spielinterne Unterschied zwischen Donkey Kong, dessen namensgebender Menschenaffe den Antagonisten der Spielfigur Jumpman, welche kurz darauf den Namen Super Mario erhalten sollte, darstellt, und Pitfall! ist in der Levelarchitektur beider Titel zu erkennen. Statt wie im Fall von Donkey Kong auf einen statischen Bildschirm zu setzen, bewegt sich Pitfall Harry im ersten Titel der Reihe sowohl von links nach rechts, als auch von rechts nach links durch verschiedene Bildschirme. Das Sujet der Spielhandlungen verweist mit seiner grün dominierten Farbpalette, Krokodilen und Schlangen, Gewässern und Treibsand unter dichtem Blätterdach auf eine Dschungellandschaft oder tropischen Regenwald. Nur die unterirdische Ebene der Spielwelt mag zu diesem Eindruck nicht recht passen: Das weite und leere Kellerstockwerk bildet eine zweite Ebene, die von der Spielfigur über Löcher und Leitern betreten werden kann und lediglich von Mauerwerk, das aus Klinkersteinen zu bestehen scheint, begrenzt wird. Womöglich handelt es sich bei diesem Spielelement um ein Überbleibsel der ausgesprochenen Vertikalität vorangegangener Plattformtitel und Jump ‘n‘ Runs wie Donkey Kong.

Die Steuerung erweist sich als erwartungsgemäß unkompliziert, insbesondere in Hinblick auf den Atari Joystick, welcher mit Vier-Wege-Knüppel und einer einzelnen Aktionstaste aufwartet. Oben – Unten – Links – Rechts und Springen, das sind die Eingabebefehle auf der das vergleichsweise umfangreiche Gameplay beruht. Mithilfe dieser fünf Befehle durchstreift Pitfall Harry den Urwald in beliebiger Richtung, überspringt wie in Donkey Kong rollende Fässer, Lagerfeuer und vermeidet Konfrontationen mit Tieren. Harry schwingt an Lianen über krokodilbevölkerte Gewässer oder spurtet im richtigen Rhythmus über ein sich schließendes Treibsandfeld. Mal erklimmt er Leitern um zwischen den vertikalen Spielebenen zu wechseln, mal verharrt er auf Krokodilköpfen um im richtigen Moment auf das geschlossene Maul des nächsten Tieres zu hüpfen und schließlich so das Gewässer zu überqueren. Die Darstellung ist abstrakt, die einzelnen Bildschirme konzentrieren sich meist auf ein einzelnes bewegliches oder seltener statisches Hindernis, während im Hintergrund das erbarmungslose Zeitlimit von 20 Minuten abläuft.

Vorgeschlagenes Spielziel ist es, alle Schätze innerhalb der Spielwelt aufzusammeln – eine Motivation, die in der heutigen Spielelandschaft nur mehr als Umfangserweiterung gebraucht wird. Jedes akquirierte Wertobjekt befördert hierbei den Highscorezähler in neue Höhen, die bei Berührung mit Fässern im Sekundentakt wieder schwinden. Kollisionen mit Tieren, Lagerfeuern, Gewässern und Treibsandlöchern verlaufen stets tödlich. Ein knappes Wiederholungsreservoir mit drei Versuchen stellt das Spiel zur Verfügung, danach beginnt es von vorn. Nach jedem Ableben wird Pitfall Harry am linken Bildschirmrand wiederbelebt, weshalb es insbesondere für Neueinsteiger ratsam sein dürfte, die insgesamt 255 Bildschirme in Stoßrichtung von rechts nach links zu erkunden.

Das Sujet und der Hauptcharakter weisen augenfällige Ähnlichkeiten mit dem im Jahr zuvor angelaufenen Kinofilm Raiders of the Lost Ark auf, dessen Videospielumsetzung von Howard Scott Warshaw später im Jahr 1982 für den Atari 2600 erscheint, an den Erfolg von Pitfall! jedoch nicht heranreicht. Pitfall! ist ein ikonisches Spiel, das insbesondere aufgrund seiner Popkulturellen Bedeutung und seiner zahlreichen Nachfolger weiterlebt. So zum Beispiel innerhalb der South Park Episode Nur körperliche Liebe im Vatikan? Staffel 6, Episode 8 (2002).

Pitfall! in der South Park Episode „Nur körperliche Liebe im Vatikan?“, Staffel 6, Episode 8 (2002).

Spielinteressierte Retroenthusiasten können den Titel dank zahlreicher Retrokonsolen, die in den vergangenen Jahren erschienen sind – wie beispielsweise dem Atari Flashback – und dank Emulatoren auf dem Heimcomputer oder mobil im Browser noch heute nacherleben. Das Mittel der Wahl wird aber wohl in Anbetracht unzuverlässig nachprogrammierter Spielesammlungen und ablenkender Emulationsumgebungen der Griff zur originalen Hardware bleiben um ein möglichst authentisches Erlebnis zu gewährleisten. Aber ist das überhaupt empfehlenswert? Lohnt sich dieser über 35 Jahre alte Titel?

Die Grafik ist abstrakt, der Umfang gering. Das Spiel ist simpel und zugleich frustrierend unerbittlich. Pitfall Harrys Sprungvermögen ein Hohn für den Begriff Jump ‘n‘ Run und das Zeitlimit wahrscheinlich überflüssig. Aber hierin liegt auch der große Reiz des Titels: Flow und Rhythmus des Spiels sind ungeschlagen, die weichen Lianenbewegungen und der abstrakte Tarzanschrei, wenn Harry sich über ein Gewässer schwingt, versetzen den Spieler in einen (Spiel-)Takt, den die auf und zuschnappenden Mäuler der gefräßigen Krokodile rhythmisieren. Es ist ein vergleichsweise kurzer Trip in die Welt von Pitfall! für mich gewesen und trotzdem entfaltet es einen hypnotischen Charme Pitfall Harrys ausladende Schritte durch die exotische Umgebung zu verfolgen.

1 Kommentar

  1. Pitfall! von David Crane war eins meiner ersten Bildschirmabenteuer und hat sich nachhaltig in meine Spieler-DNA eingebrannt. Für mich gehört es zu den ersten Action-Adventures und da ich es in einem sehr jungen Alter gespielt habe, wurde die Spielwelt von Pitfall! dank meiner Fantasie zu einer „lebendigen“ Umgebung, die ich bis heute liebe. Was unbedingt noch erwähnt werden sollte: um die Gefahren des Dschungels „nachhaltiger“ überleben zu können, habe ich (und sicher viele andere auch) handgezeichnete Karten angefertigt, die alle Bildschirmseiten fein säuberlich erfasst hatten. Mit diesen Maps konnte Pitfall! dann leichter bezwungen werden.

    Deine Frage nach der „Original-Hardware“ für das heutige Nacherleben: kann man machen, muss man aber nicht. Wobei ich grundsätzlich immer dazu tendieren würde, Spiele auf der Erstplattform zu spielen. Denn für die Gesamtheit des Erlebnisses sind neben der ursprünglichen Konsole auch die Original-Controller und idealerweise sogar ein Röhrenbildschirm perfekt. In jedem Fall ist Pitfall! ein unvergänglicher Klassiker, der sich nicht ohne guten Grund über vier Millionen Mal verkauft hat.

    Vielen Dank für deinen Beitrag Dominic.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert